Testing als Türöffner
Isla Victoria bietet regelmässig Tests auf sexuell übertragbare Krankheiten an. Im Verlauf des Testings kommt auch die soziale Situation der Klient*innen oder die psychische Gesundheit zur Sprache. Rita Höltschi und Grazia Aurora erzählen von ihrer Arbeit.
Wie läuft das Testing ab?
Rita und Grazia: Wenn wir das Testing in der Isla Victoria Zürich durchführen und nicht vor Ort in einem Erotikbetrieb, können wir das Vorgespräch in einem separaten Zimmer durchführen. Rita erklärt im Vorgespräch der Klient*in den Ablauf des Testings. Getestet wird auf die «Big Five» der sexuell übertragbaren Infektionen (STI): Gonorrhö (Tripper), Chlamydien, HIV, Syphilis, Hepatitis B. Ganz wichtig ist es, dass die Testings anonym stattfinden. Die Klient*in erhält eine Testnummer, diese muss sie fotografieren und aufbewahren. Auf Grund des Datenschutzes kann nur sie anhand dieser Nummer die Resultate abfragen.
Wer kommt zum Testing?
Es kommen Sexarbeiter*innen aus allen Bereichen, sie arbeiten im Salon, auf der Strasse oder als Escort. Klientin Simone zum Beispiel arbeitet in der Pflege. Sie hat eine Tochter im Schulalter und ist alleinerziehend. Sie kann deshalb nicht 100 Prozent arbeiten. So reicht ihr Einkommen nicht aus und sie macht nebenher Sexarbeit. Simone arbeitet in einem Kleinsalon in Zürich. Alles sehr diskret, man sieht von aussen nichts. Sie will unbedingt anonym bleiben, auch wegen ihrer Tochter.
Dieser umfassende ganzheitliche Ansatz ist in der Schweiz einzigartig
Grazia und Rita, Team Isla Victoria
Worauf achtet ihr beim ersten Gespräch?
Für das Testing sind drei Themen wichtig: Die körperliche und psychische Gesundheit sowie die soziale Situation der Klient*in. Im Gespräch fassen die Klient*innen Vertrauen, so kommt man automatisch zur sozialen Situation. Sind Kinder da? Wer betreut die Kinder? Hat die Klient*in einen Partner? Wir fragen auch nach Risikosituationen und der Verhütung und machen bei Bedarf einen Schwangerschaftstest. Ist er positiv, begleiten wir die Klientin zum Beispiel ins Ambulatorium Gynäkologie an den Kanonengasse. Dort werden die weiteren Schritte geplant. Eine unerwünschte Schwangerschaft oder ein positiver STI-Test hat für die Klientin Konsequenzen, sowohl in sozialer wie in medizinischer Hinsicht. Darum ist die Prävention so wichtig.
Was passiert nach dem ersten Gespräch?
Nach dem Gespräch geht Rita zu Grazia in den Behandlungsraum gegenüber und macht einen kurzen Lage-Rapport. Wo sind noch Fragen offen, wo soll Grazia genauer hinschauen? Grazia kann während der medizinischen Untersuchung noch zusätzliche Sachverhalte klären: Wie geht es der Klient*in psychisch, wie ist ihre soziale Situation? Dieser umfassende Ansatz mit einer ganzheitlichen Betreuung auf allen Ebenen ist in der Schweiz einzigartig.
Die medizinische Untersuchung ist fertig, wie geht es weiter?
Nach dem Testing gehen die Proben ins Labor. Falls ein behandlungswürdiges Resultat vorliegt, wird die Klient*in darüber informiert und wir verabreichen ihr die nötigen Medikamente. Wir suchen die Klient*in, bis wir sie finden. Das heisst in gewissen Fällen auch, dass man sie irgendwo im Kanton Zürich aufsuchen muss, denn wir machen auch mobile Testings vor Ort in den Erotikclubs im Zürcher Kantonsgebiet. Wir bleiben hartnäckig dran, bis wir die Klient*in behandelt haben. Man muss die Infektionskette stoppen.
Wie reagieren die Klient*innen auf ein positives Resultat?
Wenn wir die Klient*in darüber informieren müssen, dass eine Ansteckung vorliegt, kann es zu psychischen Krisen kommen. «Wer hat mich angesteckt?» fragen sie, oder sie sagen «Ich war doch letztes Mal negativ und habe mich immer geschützt» oder «Ist mein Partner schuld an meiner Ansteckung?» Es ist wichtig, Krisenintervention zu leisten und die Klient*innen psychisch aufzufangen.