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Sexarbeiterin Ingrid erhält kein Bankkonto

Diskriminierung aufgrund des Berufs: Eine Bank in Zürich verweigerte Ingrid die Geschäftsbeziehung. Nach einer Intervention von Solidara erhält die Domina eine Entschuldigung. Die Pralinés ändern jedoch nichts am erlittenen Unrecht.

Nach wie vor ist Sexarbeit als Beruf stark tabuisiert, obwohl es sich in der Schweiz um ein legales Gewerbe handelt. Diskriminierung gehört für Betroffene leider zum Alltag, wie auch Ingrid (Name geändert) schmerzlich erfahren musste. Die Nordeuropäerin arbeitet seit vielen Jahren in Zürich als Domina, zahlt Steuern und behauptet sich erfolgreich in ihrem Business. Als sie jedoch bei einer bekannten Schweizer Bank ein Konto eröffnen wollte, stellte sich dies als unmöglich heraus.

Was war passiert? Als Ingrid die Bankfiliale in der Zürcher Innenstadt betrat, wurde sie zunächst freundlich empfangen und beraten. Doch dann kam der Moment, in dem Ingrid wahrheitsgemäss auf die Frage antwortete, in welcher Branche sie arbeite. Plötzlich wurde die Beratung abrupt beendet, und vier Männer in Anzügen begleiteten die verdutzte Ingrid aus der Bank. «Ich habe mich gefühlt wie eine Verbrecherin und verstand die Welt nicht mehr!», erinnert sie sich. In der Folge versuchte ein Freund von ihr, mit der Filiale schriftlich in Kontakt zu treten. Eine Antwort blieb aus. Als er telefonisch nachhakte, wurde ihm lediglich beschieden, dass die Bank mit Ingrid keine Geschäftsbeziehungen aufnehmen wolle.

Ich habe mich gefühlt wie eine Verbrecherin und verstand die Welt nicht mehr!

Ingrid, Sexarbeiterin

Diskriminierung im Alltag kennen leider die meisten Sexarbeitenden. Sie erfahren immer wieder Stigmatisierung und Abwertung aufgrund ihres Berufes, beispielsweise auch bei der Wohnungssuche oder bei Stellenbewerbungen. Wer die Branche wechseln will, führt die bisherige Tätigkeit aus Angst vor Abweisung oft nicht im Lebenslauf auf. Der Lebenslauf enthält also entweder Lücken oder falsche Angaben.

Ingrid sah keinen Grund, ihren Beruf zu verheimlichen und war gegenüber der Bank korrekt und ehrlich. Nach der niederschmetternden Erfahrung in der Zürcher Filiale wandte sie sich an unsere Beratungsstelle Isla Victoria. Gemeinsam mit der Solidara-Geschäftsführerin haben wir dann ein Schreiben an die Bank verfasst, in dem wir eine Stellungnahme verlangen. Warum verweigert die Bank einer Frau, die im Erotikbusiness arbeitet, die Geschäftsbeziehung und diskriminiert sie damit auf krasse Art und Weise? Wirklich beantworten konnte uns die Frage niemand, aber Ingrid erhielt kurz darauf ein Paket: Darin eine handgeschriebene Entschuldigung einer Vertreterin der Bank und eine Schachtel teure Pralinés. Für Ingrid ist die Sache damit erledigt, und inzwischen hat sie auch ihr neu eröffnetes Konto: Bei einer anderen Bank und ohne Probleme.

Autor

Marion Altwegg

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